Lebensborn e.V. — eine Organisation der Fürsorge
(Der grosse Wendig, Band 1, Nr. 101)
Oft wurde behauptet,[1] daß der Lebensborn e.V eine Einrichtung gewesen sei, die der »arischen Höherzüchtung«, der »Züchtung einer neuen germanischen Oberrasse« dienen sollte. In Film und Schrift wurde berichtet, daß hierfür vor allem SS-Männer (»großdeutsche Zuchtbullen«) und ausgesuchte BDM-Mädchen (»Bräute des Führers«) in »Liebeslagern« zusammengebracht worden seien, die als »ausgesuchte SS-Bordelle« (Historiker Prof. Dr. K. D. Bracher, Bonn) für SS-Obere eingerichtet gewesen seien. Auch seien vom Lebensborn e.V. Kinder aus den besetzten Gebieten systematisch »geraubt« und »eingedeutscht« worden.
Das sind Lügen. Der US-Militärgerichtshof I verhandelte in Nürnberg ab 10. Oktober 1947 im »Fall VIII« (Rasse- und Siedlungshauptamt der SS) auch gegen die leitenden Amtsträger des Lebensborns, den Chef Max Sollmann, den Geschäftsführer Dr. med. Gregor Ebner, sowie gegen Günther Tesch und Inge Viermetz. Im Urteil vom 10. März 1948 mußte sogar dieses Nürnberger Rachegericht die 1935 gegründete Organisation Lebensborn e.V. freisprechen. Inge Viermetz wurde in allen Punkten freigesprochen. Die anderen drei SS-Führer vom Lebensborn wurden ausdrücklich in allen Punkten freigesprochen, die den Lebensborn betrafen, und nur wegen ihrer SS-Zugehörigkeit verurteilt.

In der Urteilsbegründung des IMT heißt es:[2] »Aus dem Beweismaterial geht klar hervor, daß der Verein Lebensborn e.V., der bereits lange vor dem Kriege bestand, eine Wohlfahrtseinrichtung und in erster Linie ein Entbindungsheim war. Von Anfang an galt seine Fürsorge den Müttern, sowohl den verheirateten als auch den unverheirateten, sowohl den ehelichen und unehelichen Kindern. . . Es geht in der Tat aus dem Beweismaterial klar hervor, daß der Lebensborn es zu vermeiden suchte, Kinder in seine Heime aufzunehmen, die noch Verwandte besaßen. …
Der Lebensborn hat im Allgemeinen keine ausländischen Kinder ausgewählt und überprüft. … Aus dem Beweismaterial geht klar hervor, daß der Lebensborn unter den zahlreichen Organisationen in Deutschland, die sich mit ausländischen nach Deutschland verbrachten Kindern befaßten, die einzige Stelle war, die alles tat, was in ihrer Macht stand, um den Kindern eine angemessene Fürsorge zuteilwerden zu lassen und die rechtlichen Interessen der unter seine Obhut gestellten Kinder zu wahren.« Das Gericht der Sieger hätte damals sicher nichts ausgelassen, was es als belastend hätte anführen können.
In einer offiziellen Erklärung durch H. Auerbach stellte das Münchener Institut für Zeitgeschichte 1961 entgegen anderslautenden Pressemitteilungen fest,[3] daß es keine Unterlagen zum Film über den »Lebensborn« geliefert habe und in »keinem Zusammenhang mit dem neugedrehten Film über den Lebensborn steht, zumal dieser in keiner Weise einen zeitgeschichtlichen Dokumentarwert besitzt«. Das Institut erklärt weiter: »Der im Institut vorhandene Bestand an Dokumenten über den Lebensborn ist zwar gering, er reicht aber aus, um ein durchaus verläßliches Bild von dieser Einrichtung zu geben. Der Lebensborn, wie er tatsächlich existierte, unterhielt eine Reihe von Entbindungsheimen, aber — soweit sich das dokumentarisch nachweisen läßt — keine Zuchtanstalten. Bis jetzt sind uns auch keine Fälle bekannt geworden, daß etwa SS-Leute oder BDM-Mädchen sozusagen abkommandiert wurden, um Kinder zu zeugen.« Aufzuchtpläne seien lediglich durch das Buch von HIMMLERS Masseur, Felix KERSTEN (Totenkopf und Treue, Robert Mölich, Hamburg 1952) bekanntgeworden.
Der Schriftsteller Kurt ZIESEL stellte am 17. Februar 1961 Strafanzeige[4] gegen Revue, den Autor Berthold und den Filmproduzenten Arthur Brauner wegen Betrugs und Verbreitung unzüchtiger Schriften und Abbildungen, ohne daß es daraufhin jedoch zur Anklage kam. Die HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Soldaten der Waffen-SS) bot in ihrer Verbandszeitschrift Der Freiwillige demjenigen DM 1000.-, der beweisen könne, daß der Lebensborn eine Zuchtanstalt gewesen sei. Niemand meldete sich.[5]
Eine ausführliche Widerlegung der Lügen um den Lebensborn e.V. brachte der Münchener Historiker an der Bundeswehrhochschule Prof. Dr. Franz W. Seedler, unter dem Titel »Lebensborn e. V. der SS. Vom Gerücht zur Legende«, in: Uwe Backes u. a. (Hg.), Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus, Propyläen-Ullstein Verlag, Frankfurt/M – Berlin 1990, S. 291-317. Darin erscheinen auch viele Literaturangaben.

[1] Z. B. Willi BERTHOLD 1958 in Nummern der Revue: »Lebensborn e.V. — Was Millionen nicht wußten, deckt Revue für Millionen auf«; Arthur BRAUNER-Film »Lebensborn«, etwa 1960; Lebensborn-Bücher in USA, Italien, Dänemark u.a.; Deutschlandfunk, 30. 5. 1984; Bild am Sonntag, 9. 3. 1986.
[2] Erich KERN, Meineid gegen Deutschland, K. W. Schütz, Göttingen 1968, S. 54 f.; ausführlicher Bericht zum »Lebensborn«, S. 45-72.
[3] Lüdenscheider Nachrichten, 13. 3. 1961, siehe auch Erich KERN, ebenda, S. 67.
[4] Strafanzeige des Kurt ZIESEL, Breitbrunn, gegen Helmut KINDLER, Willi BERTHOLD und Arthur BRAUNER bei der Staatsanwaltschaft München vom 17. 2. 1961; siehe auch Kurt Ziesel, in: Europäischer Kulturdienst, 30. 4. 1961, S. 12 ff.
[5] Über BRAUNERS Hereinfall mit Zeugen siehe Der Spiegel vom 4. 1. 1961.
aus: Der Große Wendig 4, Nr. 101
Eine Antwort auf „Lebensborn war Fürsorge“
[…] richtigstellt, so zum Fall Guernica (S. 133 f.), zum Reichstagsbrand (S. 191 f.) oder zum Lebensborn (S. 279 f.), und darauf hinweist, daß Nachbarländer viel mehr Kriege geführt haben als das oft […]