… muß sich einen Toaster kaufen!
Englands Garantie an Polen mit Geheimklausel
Der deutschen Reichsregierung wird oft vorgeworfen, beim deutschsowjetischen Vertrag vom 23. August 1939 einen Geheimvertrag angehängt zu haben, in dem die Interessensphären beider Länder abgesteckt wurden. Bekanntlich wurde dieser Geheimzusatz durch den deutschen Angehörigen der Botschaft in Moskau HERWARTH VON BELTEN-FELD an die Amerikaner verraten und sofort nach Washington gemeldet, wo ROOSEVELT den Inhalt geheim hielt und die Polen nicht warnte, die bei Kenntnis des geheimen Zusatzes vielleicht auf die letzten Vorschläge HITIERS eingegangen wären.
Doch solch eine Geheimklausel war damals durchaus üblich. So hatte der am 25. August 1939, nur zwei Tage nach dem deutsch-sowjetischen Abkommen, ratifizierte britisch-polnische Beistandsvertrag ebenfalls einen geheimen Teil. Zu dessen Vorgeschichte sei folgendes angeführt.
Nach dem Münchner Abkommen vom 29. September 1938 über die Angliederung des Sudetenlandes an das Reich stand eine Garantieerklärung der vier Unterzeichnermächte für die Resttschechei im Raum, kam aber nicht zustande. Nach dem deutschen Einmarsch in Prag war eine Vier-Mächte-Erklärung Großbritanniens, Frankreichs, Polens und der Sowjetunion geplant, die gegenseitige Besprechungen für den Fall vorsah, daß die Unabhängigkeit eines europäischen Staates bedroht werde. Sie kam nicht zustande, da Polen gegen eine Beteiligung Moskaus war. Dafür gab am 31. März 1939 London eine Garantierklärung für die Unabhängigkeit Polens, den berüchtigten >Blankoscheck<, ab, um HITLER zu »bremsen«. Als Mitte August 1939 die englisch-französisch-sowjetischen Bündnisverhandlungen in Moskau scheiterten und dafür am 23. August der deutsch-sowjetische Vertrag unterzeichnet wurde, bestätigte England am 23./24. August seine Garantie für Polen Am 25. August 1939 wurde dieser britisch- polnische Beistandspakt ratifiziert. Der Historiker Lothar KETTENACKER nannte ihn den »größten Bluff in der jüngeren Geschichte Großbritanniens« und urteilte: »Denn jedermann war klar, daß der Inselstaat militärisch gar nicht in der Lage war, Polen effektiv Beistand zu leisten.«[1]
Dieser Vertrag enthielt einen geheimen Zusatz, nach dem sich »die Garantie der polnischen Unabhängigkeit nur gegen aggressive Schritte Deutschlands richtete«. Die Briten wollten eben Polen nur als Mittel zur Herbeiführung des Krieges benutzen. Den Sowjets wurde das Geheimabkommen durch Agenten schnell bekannt. Eine britische Pflicht zur Unterstützung Warschaus bestand also nicht, wenn die Sowjetunion Polen angreifen würde. Daher war London am 17. September, als die Sowjets in Ostpolen einmarschierten, zwar moralisch, aber nicht juristisch zur Kriegserklärung an Moskau verpflichtet, die dann auch unterblieb. Premierminister CHAMBERLAIN wies am 19. September vor dem Unterhaus nur auf den russischen Einmarsch hin, ohne ihn zu werten, geschweige ihn zu verurteilen. Er hielt sich die Tür nach Moskau dadurch offen.
Zusammentreffen deutscher und sowjetischer Soldaten in Lublin September 1939.
Der frühere britische Premierminister David LLOYD GEORGE schrieb dagegen in einem Brief vom 28. September 1939 an den polnischen Botschafter Edward RACZYNSKI, den späteren Außenminister der polnischen Exilregierung in London, daß zwischen dem Einmarsch der Deutschen und der Russen scharf zu unterscheiden sei: Die Deutschen »kämpften für die Eroberung von Gebieten, die im wesentlichen polnisch seien (was sachlich falsch war, da es vor allem um das deutsche Danzig gegangen war, R.K.). Die Russen hingegen seien in Gebiete eingerückt, die ursprünglich nicht polnisch gewesen seien, die Polen aber nach dem Weltkrieg trotz heftiger Proteste der Bevölkerung an sich gerissen habe. Es würde wahnsinnig sein, wollte man den russischen Einmarsch mit dem Einrücken deutscher Truppen auf eine Ebene stellen, wenn das auch HITLER sehr willkommen wäre.«[2]
Ähnliche Vorgänge werden also je nach Vorteil sehr verschieden beurteilt. Oder: Wenn zwei das Gleiche tun, wird es doch verschieden bewertet.
Rolf Kosiek
[1] Zitiert in: RAINER Blasius, »Keine vertragliche Verpflichtung«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. 9. 2009, S. 17.
[2] Ebenda.