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Der Frieden von Brest-Litowsk

Nach dem am 15. Dezember 1917 unterzeichneten Waffenstillstandsvertrag zwischen den Mittelmächten und Rußland wurde am 3. März 1918 der Frieden von Brest-Litowsk[1] geschlossen, der den Ersten Weltkrieg im Osten beendete. Er wird von den zeitgenössischen Historikern oft als ein >Gewaltfrieden< oder als ein >Diktat< bezeichnet, das ein Vorbild für den Versailler Vertrag gewesen sei, über den sich die Deutschen deswegen nicht beschweren dürften. Doch das ist falsch. Der Friede von Brest-Litowsk gab mehreren Völkern die Freiheit und brachte dem Reich nichts ein.

Die von TROTZKI und JOFFE geführte russische Delegation wird in Brest-Litowsk von hohen deutschen Offizieren empfangen.

Durch die >Oktober-Revolution< (am 25. Oktober nach dem kyrillischen. Kalender, am 6./7. November nach westlicher Zählung) hatten die Bolschewisten 1917 unter LENIN auf sehr blutige Weise in Rußland die Macht ergriffen. Weil sie erst ihre Macht festigen wollten, richteten am 28. November 1917 TROTZKI und LENIN vom Zarenhof Zarskoje Sjelo aus ein Friedenstelegramm »An die Völker der Kriegführenden«, bezeichnenderweise nicht an deren Regierungen. Während die Alliierten darauf nicht antworteten, begannen die weit in Rußland stehenden Mittelmächte Verhandlungen mit den Sowjets am 6. Dezember 1917 in Brest-Litowsk, dem Sitz des deutschen Oberkommandos für den Osten. Am folgenden Tag wurde eine zehntägige Waffenruhe vereinbart, der dann am 15. Dezember ein Waffenstillstand folgte. Dieser war zunächst auf drei Wochen befristet. An den Verhandlungen waren deutscherseits Staatsekretär VON KÜHLMANN und General HOFFMANN, von den Österreichern Graf CZERNIN und von Seiten der Russen JOFFE, später TROTZIG beteiligt. Bei den ab 22. Dezember geführten Friedensverhandlungen forderten die Sowjets Verzicht auf Annexionen und Entschädigungen, schnelle Räumung der von den Mittelmächten besetzten Gebiete und das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Da vor allem Österreich-Ungarn darauf nicht eingehen konnte, gerieten die Verhandlungen am 28. Dezember ins Stocken und wurden auf russischen Antrag bis zum 4. Januar 1918 vertagt. Anschließend verliefen sie nur sehr zäh.

Mit der am 22. Januar 1918 gebildeten Regierung, der >Rada<, der als unabhängig erklärten Ukraine schlossen die Mittelmächte am 9. Februar 1918 einen Sonderfrieden, der am 24. Juli 1918 ratifiziert wurde und den gegenseitigen Verzicht auf Reparationen sowie die alte Grenze von 1914 zwischen Österreich-Ungarn und der Ukraine vereinbarte. Die Hoffnung der Sieger, dadurch die Sowjets zum Einlenken zu bewegen, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: TROTZKI verließ die Verhandlungen am folgenden Tag und begann, die >Rote Armee< als Machtinstrument der Bolschewi­sten aufzustellen.

Links: Die Delegati­onsführer der Mittel­mächte bei den Frie­densverhandlungen von Brest-Litowsk, der deutsche Staats­sekretär Richard VON KÜHLMANN und der österreichische Au­ßenminister Ottokar Graf VON CZERNIN. Rechts: Leo TROTZKI, vorübergehend Volkskommissar für das Äußere, hoffte auf bessere Friedens­bedingungen.

Daraufhin gingen am 18. Februar 1918 die deutschen Truppen im Osten wieder zum Angriff über und eroberten weitere Gebiete Rußlands, unter anderem das Land bis zum Peipussee, Minsk, Kiew, Charkow, Odessa, Sewastopol.

Unter diesen Verhältnissen und einem deutschen Ultimatum setzte LENIN im Obersten Sowjet mit knapper Mehrheit die Annahme der Be­dingungen der Mittelmächte durch, so daß es am 3. März 1918 zum Frie­den von Brest-Litowsk kam. Für Rußland unterzeichneten SOKOLNIKOW, KARACHAN, TSCHITSCHERIN und PETROWSKIJ, ohne den Vertrag zu lesen. TROTZKI war nicht wieder erschienen.

Von den großen Friedensschlüssen des 20. Jahrhunderts war der Frie­den von Brest-Litowsk zweifellos der gerechteste, wenn er auch unbe­rechtigt von politisch korrekten Vertretern oft ein >Gewaltfrieden< genannt wird. Der Sieger, Deutschland, raubte sich im Gegensatz zu Versailles 1919 oder Potsdam 1945 von dem Besiegten keinen Quadratmeter an Boden. Der Vertrag brachte mehreren lange unterdrückten Völkern die Freiheit: Finnen, Esten, Letten, Litauer, Polen, Ukrainer und Kaukasier wurden von der Moskauer Zentrale unabhängig und konnten ihre eigenen Staaten mit deutscher Hilfe gründen. Rußlands mußte auch die Unabhängigkeit Persiens und Afghanistans anerkennen. Sogar auf die Zahlung von Reparationen wurde vom Sieger verzichtet, obwohl der russische Zar durch seine frühe Mobilisierung und seine Unterstützung des aggressiven Serbiens 1914 den Anlaß zum Krieg gegeben hatte.

Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk setzten die deutschen und österreichischen Truppen ihren Vormarsch in Rußland fort und besetzten am 1. März 1918 die ukrainische Hauptstadt Kiew.

Daß der Friede von Brest-Litowsk dann schon im November 1918 durch den erzwungenen Verzicht Deutschlands auf ihn beim Waffen­stillstand von Compiegne für ungültig erklärt wurde und damit ein Teil der durch ihn freigewordenen Völker wieder für fast drei Generationen unter Rußlands Knute kam, war nicht deutsche Schuld, sondern ist den Westmächten anzulasten. Erst nach dem Zusammenbruch des Sowjet­imperiums um 1990 konnten diese Völker des früheren Zarenreiches wieder den freiheitlichen Zustand erlangen, den ihnen deutsche Hilfe bereits 1918 in Brest-Litowsk verschafft hatte.

Rolf Kosiek


[1] Siehe Beitrag Nr. 49, »Verfälschung des Friedensver­trags von Brest­Litowsk 1918«, Bd. 1, S. 237 ff.

Quelle: Der Große Wendig 4, Nr. 739 (Download)

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