Der Sepoy-Aufstand — ein Beispiel britischer Kolonialpolitik
Das Deutsche Reich hatte gegen Ende des 19. Jahrhunderts als letzte der Großmächte Kolonien erworben. Diese wurden dann im Versailler Diktat 1919 (IV. Teil, Artikel 118-127)[1] von den Alliierten mit der Begründung geraubt und annektiert, das Deutsche Reich habe eine grausame und ausbeuterische Kolonialpolitik betrieben. In der Mantelnote zum Diktat wird »von den kolonialen Verwaltungsmethoden Deutschlands, von den grausamen Unterdrückungen, den willkürlichen Requisitionen und den verschiedensten Formen von Zwangsarbeit« gesprochen, »die weite Strekken in Ostafrika und Kamerun entvölkert haben, ganz abgesehen von dem aller Welt bekannten tragischen Schicksal der Hereros in Südwestafrika. Deutschlands Versagen auf dem Gebiete der kolonialen Zivilisation ist zu deutlich klargestellt worden, als daß die alliierten und assoziierten Mächte ihr Einverständnis zu einem zweiten Versuch geben und die Verantwortung dafür übernehmen könnten, dreizehn bis vierzehn Millionen Eingeborener von neuem einem Schicksal zu überlassen, von dem sie durch den Krieg befreit worden sind«.[2]
Doch diese Vorwürfe sind falsch und unbegründet. Richtig ist, daß Deutschland seine Kolonien mustergültig verwaltete und viel Kapital hineinsteckte. Diese unberechtigten Anschuldigungen, besonders die zum Herero-Aufstand, sind bereits an anderer Stelle widerlegt worden.[3]



Wie dagegen die Kolonialpolitik der Briten aussah, geht aus dem Beispiel der Niederschlagung des indischen Aufstandes von 1857/58 her vor, in dem weite Teile Indiens sich gegen die ausbeuterischen und grausamen britischen Kolonialmethoden erhoben hatten. Nachdem die Kolonialherren aus London wieder die Oberhand gewonnen hatten, übten sie grausame Rache: »Die Briten, die Indien angeblich mit den Segnungen der Zivilisation und der Humanität beglücken wollten, überschlugen sich jetzt mit Dramen blutrünstigster Barbarei. Rücksichtslos rächten sie sich an Unschuldigen und Schuldigen. Ganze Dörfer wurden niedergebrannt, die Einwohner, auch Frauen und Kinder, erhängte man ohne Gerichtsverfahren an Straßenbäumen. Um die aufständischen Sepoy-Söldner zu bestrafen, hatte man sich etwas ganz Apartes ausgedacht: Vor geladene Kanonenrohre gebunden, wurden durch eine Salve die Hindus zur Wiedergeburt ins Nirwana und die Moslems als Märtyrer ins Paradies befördert, wo sie angeblich von Jungfrauen erwartet wurden.«[4]
Rolf Kosiek
[1] Der Friedensvertrag von Versailles, Reimar Hobbing, Berlin 1919, S. 72 ff.
[2] Antwort der alliierten und assoziierten Mächte, Reimar Hobbing, Berlin 1919, S. 34.
[3] Beiträge Nr. 11-14, Bd. 1, S. 80-121; Claus NORDBRUCH, Völkermord an den Herero in Deutsch-Südwestafrika?, Grabert, Tübingen 2004; ders., Der Hereroaufstand, Vowinckel, Stegen 2004.
[4] Hans MEISER, Völkermorde vom Altertum bis zur Gegenwart, Grabert, Tübingen 2009, S. 165 f.
Quelle: Der Große Wendig 4, Nr. 741 (Download)