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Wissenschaftstheorie

„Der Fall Galilei”

Bertolt Brechts Buch „Leben des Galilei“, das auf den Lehrplänen vieler deutscher Kultusministerien steht, hat die Sicht ganzer Schülergenerationen auf die katholische Kirche geprägt. Rückschrittlich, unmodern, unaufgeklärt und verbohrt hält die Kirche nach Brecht am längst durch die Beobachtungen von Kopernikus widerlegten heliozentrischen Weltbild fest. Galilei ist laut Brecht ein heldenhafter Widerstandskämpfer gegen die kirchliche Unterdrückung und für die Freiheit der Wissenschaften in Forschung und Lehre. Doch die Inquisition zwingt ihn letztlich in die Knie. Was die Kirche nicht erklären bzw. mit ihrem Weltbild vereinen kann, das lässt sie eben verbieten, notfalls mit Zwang, Unterdrückung und Gewalt. So lautet die Botschaft im Großen und Ganzen.

Inquisition nahm die moderne Wissenschaftstheorie vorweg

Galilei war bereits vor Brecht zur Lichtfigur der Aufklärung stilisiert worden. Dass es sich mit der historischen Wahrheit vielleicht ganz anders verhalten haben könnte, interessierte nicht weiter. Es ging um eine antikirchliche Geschichtsdeutung, mit der es sich seit ein paar hundert Jahren bequem leben ließ — bis Johannes Paul II. kam und anlässlich einer Ehrung für Albert Einstein formulierte, die Kirche müsse nun auch einmal ihr Verhältnis zu Galileo Galilei überprüfen, wobei er auch nicht die Tatsache verhehlte, dass Galilei durch kirchliche Personen und Organe leiden musste. Es sei insbesondere im Interesse der Kirche selbst, die Beziehung zwischen ihr und der Wissenschaft wieder zu bereinigen. Johannes Paul II. war dies so wichtig, dass er später eine eigene Enzyklika zum Verhältnis zwischen Glauben und Vernunft mit dem Titel Fides et ratio schrieb.

Das Heilige Jahr 2000 nutzte er, um am 12. März, zu Beginn der großen Fastenzeit, das große „Mea Culpa“ der katholischen Kirche zu sprechen. Darin entschuldigte er sich namens der Kirche für Gewalt, Spaltung, Versagen gegenüber dem Volk Israel, gegen die Liebe, den Frieden, die Rechte der Völker, die Achtung der Kulturen und der Religionen.

Tatsache ist: Galileo Galilei, wie übrigens auch Nikolaus Kopernikus, war ein guter Katholik; zwei seiner Töchter wurden Ordensfrauen. Er besaß eine Reihe von guten Freunden und Förderern im hohen Klerus und unter theologischen Gelehrten und besuchte regelmäßig Gottesdienste, beichtete „nach Vorschrift“ usw. Seine Instrumentalisierung und Verklärung durch Kirchenfeinde und militante Atheisten tut dieser Seite seines Wesens Unrecht.

Wie aber kam es dann zur Anklage durch die Inquisition? Galilei besaß genügend Gönner in klerikalen Kreisen, schließlich hatte die Inquisition um das Jahr 1611 ein Gutachten bei den jesuitischen Astronomen zu seinem Werk „Siderius nuncius“ — Der Sternenbote — angefordert. Das Jesuitenkollegium war äußerst angetan und lud Galilei zu einer wissenschaftlichen Akademie ein, um ihn als „hochberühmten und meistbeglückten Sternenforscher“ zu feiern.

Die Erde dreht sich um die Sonne

Galilei dagegen beharrte stur darauf; dass er über die allein gültige Vorstellung verfüge, nach der sich die Erde um die Sonne drehe, obwohl es ihm zu Lebzeiten nicht gelang, diese Behauptung auch zu beweisen. Mehr noch, er griff direkt und ohne Not die Aussagen der Heiligen Schrift an, obwohl man ihn davor gewarnt hatte, sich in die Belange der Schriftauslegung einzumischen, statt sich auf die Beobachtung der Naturwissenschaften zu beschränken.

Von sich aus wäre die Inquisition in dieser Sache nicht mehr tätig geworden, wenn nicht ein Florentiner Buß- und Strafprediger, Pater Tommaso Caccini, strikt gegen Galilei „angepredigt“ hätte. Es war derselbe Pater Caccini, der formelle Anzeige wegen Ketzerei gegen Galileo Galilei erstattete. Damit war die Eröffnung eines offiziellen Verfahrens unumgänglich geworden. Der zuständige Großinquisitor, Kardinal Robert Bellarmin, machte mitnichten kurzen Prozess, sondern ermahnte den Astronomen mehrmals mündlich sowie auch schriftlich, seine Erkenntnisse, die das kopernikanische Weltbild stützten, nur weiter zu verfolgen und zu vertreten, wenn er dabei die Wahrheit anerkennen würde, dass sie lediglich hypothetischen Charakter besäßen und bislang weder zu widerlegen noch zu beweisen seien.

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die Inquisition ihrer Zeit voraus war, indem sie Prämissen der modernen Wissenschaftstheorien vorwegnahm und einforderte, wonach eine wissenschaftliche Theorie niemals die Wahrheit für sich beanspruchen kann, sondern immer nur eine Hypothese sein darf, selbst wenn die überzeugendsten Beweise jede andere Hypothese zunächst auszuschließen scheinen. Umgekehrt mussten sich Kirche und Theologie durch Galilei jedoch belehren lassen, dass die Heilige Schrift nicht wörtlich zu verstehen sei, sondern Stellen, die etwa dem heliozentrischen Weltbild .im Wortlaut scheinbar zuwiderlaufen, sich vielmehr auf theologische und existenziell zu verstehende Aussagen beziehen.

Entgegen der Behauptung zahlreicher Hobbyhistoriker wurde Galileo Galilei nie exkommuniziert, auch nicht wegen Ketzerei und Häresie. Er erhielt allerdings eine kirchenrechtliche Strafe für seinen Ungehorsam, die darin bestand, dass er regelmäßig die sieben Bußpsalmen zu beten hatte — eine Bürde, die ihm schließlich seine Tochter, die im Kloster lebte, abnahm.

Die Aufarbeitung des Galilei-Prozesses von kirchlicher Seite her fand ihren vorläufigen Abschluss mit der Herausgabe einer historisch-kritischen Gesamtausgabe sämtlicher vorliegender Gerichtsakten im Jahre 2009 — ein Werk, das immerhin rund 550 Seiten umfasst. Prof. Dr. Walter Brandmüller, Chefhistoriker des Vatikans, der auch die neue kritische Ausgabe der Gerichtsakten vorgenommen hat, kommentiert die Anklage durch die Inquisition wie folgt: „Die war wohl begründet. Der formale juristische Grund bestand darin, dass er die Druckerlaubnis für seinen ,Dialogo` auf unlautere Weise erschlichen hat. Dadurch mussten die römischen Behörden sich an der Nase herumgeführt fühlen. Und dann stand eben die Forderung des Heiligen Offiziums im Raum, Galilei möge doch seine Theorie über den Heliozentrismus als astronomische, physikalische Hypothese vertreten und eben nicht als exakte Beschreibung der kosmischen Realität.

Genau damit hat die Heilige Inquisition damals aber schon den wissenschaftstheoretischen Standpunkt vorweg genommen, den die modernste theoretische Physik heute einnimmt — und nicht Galilei. Das war der Kern des Streits. Es war wirklich ein Witz: In naturwissenschaftlicher Hinsicht war die Inquisition im Recht — und Galilei mit seiner Bibelerklärung!“

Im Abschlussbericht der von Kardinal Poupard geleiteten Untersuchungskommission steht klipp und klar: „In dieser historisch-kulturellen Konstellation, die von der unseren recht weit entfernt ist, haben die Richter Galileis — unfähig, den Glauben von einer jahrtausendealten Konstellation zu trennen — zu Unrecht geglaubt, dass die Übernahme der kopernikanischen Wende, die zudem noch nicht definitiv bewiesen war, von einer solchen Wirkung sein müsse, dass sie die katholische Tradition erschüttere.“

„Die Verbrennung des Kopernikus“

In seinem Megabestseller „Illuminati“ lässt Dan Brown eine seiner Hauptfiguren behaupten, dass der Astronom Nikolaus Kopernikus wegen seiner Theorien von der Kirche verbrannt worden sei. Dies ist nicht der einzige grobe Fehler im Buch, aber weil der Fall Kopernikus ähnlich gelagert ist wie der des Galilei, was die Bildung von „schwarzen Legenden“ betrifft, hier noch ein Blick auf die historischen Fakten:

Nikolaus Kopernikus starb im Jahre 1543 in Frauenburg eines natürlichen Todes, als gläubiger Katholik und Domherr des Kapitels zu Frauenburg. Das Amt des Domherrn brachte üblicherweise die Fürstbischöfe hervor. Tatsächlich wurde er auch einmal für das Bischofsamt vorgeschlagen. Seine astronomische Leistung bestand darin, dass er für das heliozentrische Weltbild, das schon seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert bekannt war, eine mathematische Grundlage entwickelte.

Kopernikus nahm jedoch fälschlicherweise Kreisbahnen für die Planeten an, weshalb sein Modell unvollkommen war. Johannes Kepler konnte später die Divergenzen in seiner Weiterentwicklung beseitigen, indem er aus den Kreisbahnen der Planeten Ellipsen formte. Kopernikus zögerte also nicht deshalb, sein Werk zu veröffentlichen, weil er die katholische Kirche fürchtete, sondern weil er selbst nicht recht von seiner Theorie überzeugt war.

Als sich dann hochrangige Kleriker wie Bischof Tiedemann Giese und Nikolaus Kardinal von Schönborn dafür eingesetzt hatten, er möge sein mathematisches Modell doch veröffentlichen, entschloss er sich endlich in seinem Todesjahr dazu. Kopernikus erhielt als Domherr ein ehrenvolles und würdiges Begräbnis im Dom zu Frauenburg.

Wie weitreichend und tiefsitzend sich ein sachlicher Fehler aus einem Unterhaltungsroman im öffentlichen Bewusstsein einnisten kann, zeigen die zahlreichen Agenturmeldungen, die anlässlich der feierlichen Wiederbestattung von Nikolaus Kopernikus um den Globus zirkulierten, und sensationsheischend von einer „Rehabilitierung“ eines „Ketzers“ sprachen, der jetzt erst, 467 Jahre nach seinem Tod, ein kirchliches Begräbnis erhalten habe, nachdem man ihn vorher quasi namenlos irgendwo verscharrt habe. Tatsächlich erhielt Nikolaus Kopernikus als Domherr von Frauenburg ein katholisches Begräbnis. Im Jahre 1580 brachte Bischof Martin Cromer zu seinem Gedenken dort ein Epitaph an.

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