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Fälschung

Die Genehmigung des mRNA-Impfstoffs von Biontech/Pfizer erfolgte möglicherweise aufgrund von falschen Unterlagen. An den Daten der entscheidenden Phase-3-Studie gibt es immer mehr Zweifel. Pfizer weicht den Vorwürfen aus und verweigert sich einer Nachprüfung.Als der Patient mit der Nummer 12312982 an die Öffentlichkeit ging, ahnten die Manager beim US-Pharmakonzern Pfizer, dass es jetzt sehr ungemütlich werden könnte. Während der letzten Testphase für die Zulassung des mRNA-Impfstoffs war Nummer 12312982 im September 2020 mit schweren Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Der Patient zog die Reißleine, er stieg aus dem Testverfahren aus.Nummer 12312982 heißt Augusto Roux. Er ist Anwalt, 36 Jahre alt, er lebt in Buenos Aires. Die Millionenmetropole war mit fast 6000 der weltweit 43.548 Probanden der mit Abstand wichtigste Standort für die dritte, entscheidende Testphase des Biontech/Pfizer-Impfstoffs. Doch in Buenos Aires liefen nicht nur im Fall Roux die Dinge nicht so, wie sie sollten. Es gab erhebliche, folgenschwere Unregelmäßigkeiten. Sie lassen jetzt die gesamte Studie zur Wirksamkeit und zu den Nebenwirkungen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs in einem anderen Licht erscheinen.Roux hatte die erste Test-Dosis mit dem mRNA-Impfstoff im August 2020 im Militärkrankenhaus erhalten, dem Pfizer-Studienzentrum in Buenos Aires. Roux’ Arm begann zu schmerzen, er schwoll an. Später kamen Übelkeit und Schluckbeschwerden hinzu, Roux fühlte sich verkatert. Sein Geruchssinn veränderte sich in den folgenden Tagen, sein Stuhlgang färbte sich weiß, sein Urin dunkel. Zwei Tage nach der Impfung meldete Roux sich bei seinen Test-Ärzten, diese vermerkten im Protokoll, das WELT vorliegt: „Unerwünschte Wirkung des Toxizitätsgrades 1“.

Drei Wochen später erhielt Testkandidat Roux die zweite Dosis. Er blieb 40 Minuten unter Beobachtung, dann verließ er mit gutem Gefühl das Krankenhaus. Im Taxi nach Hause fühlte er sich unwohl, später kamen Atemnot, brennende Brustschmerzen, Übelkeit und Fieber hinzu. Sein Urin färbte sich schwarz wie Cola, er wurde bewusstlos. Drei Tage danach lag Roux im Hospital Alemán, mehrere PCR-Tests auf Covid verliefen negativ. Oberärztin Gisela di Stilio notierte im Entlassungsbericht, der WELT vorliegt: „Unerwünschte Reaktion auf den Coronavirus-Impfstoff (hohe Wahrscheinlichkeit)“. Der Computertomograf hatte Bilder von Flüssigkeit in Roux’ Herz geliefert. Ein Perikarderguss.In den nächsten Monaten verlor Roux 14 Kilo Gewicht, er hatte Leberprobleme, sein Herz schlug manchmal unregelmäßig. Seine Leber wurde untersucht, wegen des Verdachts einer toxischen Hepatitis. Wie sich später herausstellte, leidet er an einem Gendefekt, der ihn möglicherweise empfindlich gegenüber Impfungen macht. Die amerikanische Ärztin Gemma Torrell, die Roux‘ Krankendaten kennt und ihn im Frühjahr 2021 ausführlich befragte, vermerkte: Die Diagnose für die Symptome nach der zweiten Impfung laute mit hoher Wahrscheinlichkeit auf „Perikarditis“, Herzbeutelentzündung. Das alles passt genau zu einem Krankheitsbild, das auch das Paul-Ehrlich-Institut in der Liste der „seltenen Nebenwirkungen“ bei mRNA-Impfstoffen führt.

Roux‘ Fall nahm eine überraschende Wendung, als der Anwalt bei Fernando Polack, Studienchef in Buenos Aires und zugleich Erstautor der weltweiten Phase-3-Zulassungsstudie, Einsicht in seine Akte erzwang. Er fand dort ganz Erstaunliches. Seine Geschichte, so könnte man meinen, müsste so in den Unterlagen von Pfizers Zulassungsstudie auftauchen – doch dem ist nicht so. In den Papieren des Pharmakonzerns heißt es, Roux habe das Forschungsteam im Anschluss an die erste, als „Unerwünschte Wirkung des Toxizitätsgrades 1“ eingestufte Meldung darüber informiert, dass er mit einer beidseitigen Lungenentzündung im Krankenhaus liege. Das könne nichts mit dem Impfstoff zu tun haben, heißt es in der Akte weiter, es handele sich vermutlich um eine Covid-Infektion. Kein Wort davon, dass Roux in mehreren PCR-Tests negativ auf Corona getestet worden war.

Umdeutung zum Covid-Patienten

Roux erfuhr noch weitere Dinge über sich, die er selbst nicht wusste: Er habe am 23. September einen „schweren Angstanfall“ gehabt, hatte Studienleiter Polack am 8. Oktober 2020 vermerkt. Roux leide unter Angstzuständen (die aber nicht durch den Impfstoff verursacht seien).

Die Umdeutung Roux’ vom Impfstoff-Opfer zum Covid-Patienten und psychischen Problemfall wirft Fragen auf. In der Zulassungsstudie von Dezember 2020 bleibt seine Krankengeschichte unerwähnt, auch bei späteren Auswertungen taucht sein Fall nicht auf. In einer Zusammenfassung aller Studiendaten vom 11. August 2021 für die US-Zulassungsbehörde FDA ist nur ein Fall von Perikarditis unter den geimpften Probanden verzeichnet. Betroffen sei ein Mann, älter als 55, heißt es da. Augusto Roux bleibt unerwähnt. Wurde er als Covid-Fall und damit als Ungeimpfter registriert?

Fast zeitgleich mit dem Fall Roux muss es im Testzentrum Buenos Aires einen Zwischenfall gegeben haben. Auf einen Schlag hatte sich die Testleitung am 31. August 2020 von 53 Probanden verabschiedet. Die Testkandidaten waren „entblindet“ worden, das heißt, sie wurden über ihren Impfstatus aufgeklärt, ein Vorgang, den das Pfizer-Studienprotokoll ausdrücklich nur „in Notfällen“ vorsieht. Doch in der Zulassungsstudie findet sich nichts darüber. In Protokoll-Dokumenten, die WELT vorliegen, und die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, verstricken sich die Verantwortlichen in Widersprüche. „Für den Ausschluss der 53 Probanden finden sich in drei verschiedenen Dokumenten drei verschiedene Erklärungen“, klagt David Healy, Professor für Psychiatrie und Experte für Pharmakologie sowie Chef des Netzwerks „Data Based Medicine“ und der Geschädigten-Hilfe React-19 in den USA. „Ein Dokument vermerkt, dass alle Teilnehmer die Standarddosis zur richtigen Zeit erhalten haben, ein zweites besagt, dass es einen Fehler bei der Dosis für alle gab, und das dritte erwähnt Unregelmäßigkeiten für alle, sagt aber nicht, welche.“ Wurden die Teilnehmer etwa ausgeschlossen, weil sie ernste Nebenwirkungen gemeldet hatten?

Insgesamt wurden 302 Probanden der Impfstoffgruppe nach der zweiten Impfung aus der Studie getilgt und damit nicht in die Bewertung einbezogen. 200 davon kamen aus Buenos Aires. Sind hier unliebsame Ergebnisse unterdrückt worden? Dass in dem Militärkrankenhaus die Dinge nicht so liefen, wie sie sollten, war offenbar auch der argentinischen Gesundheitsbehörde ANMAT aufgefallen: Gleich zweimal schauten ihre Inspekteure zur Kontrolle vorbei. Das hat es weltweit in keinem anderen Studienort gegeben.

Seltsam auch das Schicksal eines Testteilnehmers, der das Verfahren nicht überlebte. Der Mann war Proband der Placebo-Gruppe, kam kurz nach Studienbeginn mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus Aleman und starb. Doch gegenüber den ANMAT-Kontrolleuren wurde der Todesfall verschwiegen. Auch im Protokoll der Gesundheitsbehörde, das WELT vorliegt, heißt es ausdrücklich, dass es keine Verstorbenen gab, weder in der Impfstoff- noch in der Placebogruppe. Erst in der Zulassungsstudie ist der Tote unter der ID 12313972 plötzlich wieder vorhanden. „Polack hat diesen Toten gegenüber der Gesundheitsbehörde ganz offensichtlich verheimlicht“, vermutet Roux. Doch welchen Grund gab es, einen Toten zu verschweigen, wenn er den Impfstoff angeblich nicht bekommen haben kann?

Irgendwann reichten die Vorgänge in Buenos Aires dem angesehenen argentinischen Neurologen Ruben Horecio Manci. Der Experte für klinische Studien schrieb am 15. April 2021 einen Brandbrief an die argentinische Gesundheitsministerin. Im Oktober 2022 richtete das Parlament einen Untersuchungsausschuss ein, der bis heute noch keine Antworten geliefert hat. Es geht unter anderem um diese Fragen: Wie viele schwere Nebenwirkungen, wie viele Todesfälle hat es wirklich gegeben? Was war los an dem Tag, an dem 53 Probanden aus der Studie flogen?

Auch die Verhandlungen zwischen Pfizer und der argentinischen Regierung zur Impfstoffversorgung des Landes sollen beleuchtet werden. Laut Vertrag wollte der Hersteller bei seinem Impfstoff für nichts garantieren. Regierungsvertreter sollten einen Haftungsausschluss sogar für den Fall unterschreiben, dass Pfizer sich Fahrlässigkeit zuschulden kommen lässt, sowie für „Betrug oder Böswilligkeit von Pfizer selbst“. Diese Klauseln, die auch von Experten als ungewöhnlich bewertet werden, hatten dafür gesorgt, dass Argentinien bis ins Frühjahr 2021 hinein komplett auf den russischen Impfstoff Sputnik setzte.

David Healy hat über den Fall Augusto und die Vorgänge in Buenos Aires hinaus noch weitere Fragen zur Zulassungsstudie. Er wundert sich über insgesamt 21 Impfstoffgruppen-Tote, von denen es heißt, sie seien „nicht auf den Impfstoff zurückzuführen“. Zumindest in zwei dieser Todesfälle könnte es nicht ganz so gewesen sein, wie in der Studie dargestellt. WELT liegen Dokumente vor, nach denen Patient Nr. 11621327 drei Tage nach der 2. Dosis tot in seiner Wohnung gefunden wurde, offenbar ein Schlaganfall. Patient Nr. 11521497 starb 20 Tage nach der Impfung, Diagnose Herzstillstand. „Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft würde man diese beiden Fälle der Impfung zuordnen“, sagt die Berliner Pharmaspezialistin Susanne Wagner, „zumal die US-Gesundheitsbehörde CDC momentan Schlaganfälle bei Geimpften untersucht und man weiß, dass Blutgerinnsel nach der Impfung plötzliche Todesfälle auslösen können.“

Resigniert stellt der dänische Mediziner Peter Gøetzsche, vormalig Professor für klinische Studien an der Universität Kopenhagen, im Gespräch mit WELT fest, dass „die Zulassungsstudien der Hersteller unzuverlässig sind, selbst wenn sie in renommierten, wissenschaftlichen Fachzeitschriften erscheinen“. Er beobachtet generell „Betrug und Unterdrückung der Veröffentlichung von Schäden in den klinischen Studien“. Für typisch hält Gøetzsche die Biontech/Pfizer-Publikation zur „Sicherheit, Immunogenität und Wirksamkeit des Covid-19-Impfstoffs BNT162b2 bei Jugendlichen“. Darin kommen die Autoren, darunter auch Biontech-Gründer Uğur Şahin, unter anderem zu dem Schluss, dass der mRNA-Impfstoff bei 12- bis 15-Jährigen „ein günstiges Sicherheitsprofil aufweist“ und es unter den Teilnehmern „keine schwerwiegenden impfstoffbedingten Ereignisse“ gab. In den Anhängen am Schluss steht unter „schwerwiegenden Ereignissen“ die Zahl 4. Davon impfstoffbedingt seien 0. Eine der vier ist die 13-jährige Maddie De Garay. Das Mädchen erlitt nach der zweiten Injektion eine schwerwiegende neurologische Störung. Seitdem kann sie aus eigener Kraft den Rollstuhl nicht verlassen. Sie wird über eine nasogastrale Sonde ernährt.

„Die Vorwürfe sollten korrekt aufgeklärt werden“

„Unregelmäßigkeiten in Studien müssen aufgeklärt werden“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP Andrew Ullmann gegenüber WELT. „Fehler in einzelnen Teilen der Studie“ seien aber kein Grund, die gesamte Zulassung infrage stellen. Der Epidemiologe Klaus Stöhr, der von 2007 bis 2017 das Impfstoffprogramm des Herstellers Novartis geleitet hat, weist gegenüber WELT darauf hin, dass sich solche Vorkommnisse nicht immer vermeiden ließen: „Entscheidend ist, dass sie aufgedeckt und bei der Studienbewertung berücksichtigt werden“. Ob die Studie korrigiert werden muss, „lässt sich schlüssig nur bei Einsicht in die Originalunterlagen der gesamten Studie sagen“. Der Charité-Immunologe Andreas Radbruch fordert starke Sanktionen, es gehe um die „Impfakzeptanz in der Gesellschaft, das Vertrauen in die Zulassungsbehörden“. Auch der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko) Thomas Mertens verlangt: „Die Vorwürfe sollten korrekt aufgeklärt werden“.

WELT bat Pfizer zu den Fällen von Augusto Roux, Maddie de Garay sowie den Vorkommnissen in Buenos Aires und der Rolle Fernando Polacks um eine Stellungnahme. Sie kam unverzüglich: „Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt haben unseren COVID-19-Impfstoff zugelassen. Diese Zulassungen beruhen auf einer soliden und unabhängigen Bewertung der wissenschaftlichen Daten zu Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit, einschließlich der klinischen Phase-3-Studie.“

Doch war für solch eine solide Bewertung durch die Behörden überhaupt Zeit? Aus E-Mails der EMA, die WELT vorliegen, geht hervor, dass sich die FDA, die britische MHRA und die EMA selbst schon über den Zeitpunkt der Zulassung verständigt hatten, noch bevor sie überhaupt einen Blick in die Pfizer-Papiere werfen konnten. Die Zeit drängte, das Corona-Virus sorgte für Leid und Schrecken. Für akribische Überprüfungen, so scheint es, war damals keine Zeit.

WELT hat auch den Leiter der Pfizer-Zulassungsstudie, Fernando Polack, um Aufklärung gebeten. Auch Polack zog es vor zu schweigen.

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